Wenn das Herz rast, braucht es den „Elektriker“ unter den Kardiologen, um alles wieder in den Takt zu bringen
Die kardiologische Elektrophysiologie gehört zu den modernsten Fächern der Medizin. Sie beschäftigt sich unter anderem damit komplexeste Herzrhythmusstörungen zu diagnostizieren und sie Mithilfe eines Verfahren, welches seinen Ursprung in der Flugwaffentechnik hat, zu beseitigen
Heute lösen wir Probleme, die wir früher gar nicht hatten. So mag es manch einem langjährig tätigen Hausarzt vorkommen, wenn er an zunehmend häufiger stattfindenden Fortbildungsveranstaltungen der kardiologischen Elektrophysiologie teilnimmt.
Die PTCA, der Stent, oder gar ein Katheter geführter Klappenaustausch sind mittlerweile auch außerhalb medizinischer Fachkreise bekannte kardiologische Eingriffe. Bereits seit fast 40 Jahren sind interventionell tätige Kardiologen in der Lage den Blutfluss des Herzens im Rahmen eines Herzinfarktes, oder bei Angina pektoris wiederherzustellen. Seit einigen Jahren ist es sogar möglich die Aortenklappe allein mittels eines Katheters zu ersetzen und die Mitralklappe zu Clippen, um die Funktion dieser Herzventile zu optimieren.
Salopp gesagt, wie „Klempner“ des Herzens, haben sich Kardiologen in den letzten Jahrzehnten ganz wesentlich mit der Verbesserung des Blutflusses im zentralen Organ unseres Körpers beschäftigt und waren auf diesem Gebiet so erfolgreich, dass diese Verfahren mittlerweile in der Mehrzahl deutscher Krankenhäuser als Routineeingriff zur Verfügung stehen.
Damit das Herz, also quasi unser Motor exzellent funktioniert, ist aber nicht nur der ungehinderte Blutfluss notwendig, sondern auch eine feine Elektronik, die diese genau aufeinander abgestimmte Mechanik steuert.
Wann sich die Vorhöfe des Herzens kontrahieren und mit etwas Verzögerung im Anschluss daran die Herzkammern, wird durch eben diese Elektronik gesteuert. Der elektrische Taktgeber des Herzens ist der im Dach des rechten Vorhofs gelegene Sinusknoten. Er sendet etwa 70 mal/ pro Minute einen elektrischen Impuls aus, der zur Kontraktion führt.
Zwischen Vorhöfen und Herzkammern besteht eine elektrische Barriere, die man sich wie eine Gummimatte vorstellen muss, womit sie für jede elektrische Erregung unüberwindlich ist. An einer Stelle hat sie jedoch einen Durchlass, den AV-Knoten. Wie ein Türsteher sorgt dieser dafür, dass nicht zu viele und nur die Richtigen in die Kammer Einlass finden.
Mögliche Fehler dieses Systems können in jedem Alter auftreten und werden vom Elektrophysiologen, dem Elektriker unter den Kardiologen saniert.
Vorhofbedingtes Herzrasen ist in der Regel ungefährlich, aber beängstigend
Um ein grobes Verständnis für die Arbeit des Elektrophysiologen zu bekommen, sei eine dieser zu Tachykardie (schnelle Herzfrequenz) führenden Störungen, inklusive ihrer entsprechenden Therapie exemplarisch skizziert.
Vorhöfe und Kammern sind im Normalfall durch ein kabelartige Struktur, den AV-Knoten miteinander verbunden.
Mitunter gibt es bereits kleinste Fehler in der Embryonalentwicklung, bei denen zwischen den üblicherweise elektrisch voneinander getrennten Vorhöfen und Kammern eine wenige Millimeter dicke Muskelbrücke eine zweite Kabelverbindung darstellt, die neben dem einzigen elektrischen Durchlass (dem AV-Knoten) der „Gummimatte“ damit einen zweiten elektrischen Durchlass möglich macht, wodurch es dann zu Kreiserregungen kommen kann. Der AV-Knoten ist damit der Kammereingang, die zusätzliche Muskelbrücke die Hintertür.
Ein Extraschlag aus der Kammer, wie er auch bei jedem Gesunden mehrmals täglich auftritt, wird dann wie durch eine „Hintertür“ zurück in den Vorhof geleitet. Geschieht dies im richtigen Moment, kommt es zu einer Szenerie, wie in einer schlechten Komödie. Durch die Hintertür kommt der Liebhaber (der Extraimpuls) in die Vorhalle, während der Ehemann (Normalschlag) gerade den Salon betritt. In schneller Folge erregen so Impulse Vohof und Kammer, was einer Tachykardie entspricht.
Da Vorhöfe und Kammern nicht nur durch den Impuls des Sinusknoten, sondern zusätzlich im Rahmen der Kreiserregung durch den Extraschlag erregt werden, verdoppelt sich die eigentliche Herzfrequenz. Statt 70 mal pro Minute, schlägt das Herz nun 140 mal/ min und bei Anstrengung, oder Erregung noch sehr viel schneller.
Solange es das „Hintertürchen“ gibt, kann der rasende Herzschlag jederzeit in Folge eines Extraschlags aus der Kammer wieder losgehen.
Medikamente können diese Extraschläge zwar unterdrücken, und auch die elektrische Leitfähigkeit der Muskelfaser, die den Vorhof mit der Kammer verbindet verschlechtern, dies ist jedoch nie ohne Nebenwirkungen auf Blutdruck und sonstige Körperfunktionen zu erreichen und stellt keine 100%-Lösung dar.
Ziel muss daher sein die elektrische Lücke in der Gummimatte, das Hintertürchen zu schließen. Nur durch eine nicht mehr passierbare Hintertür, tritt die Rhythmusstörung nicht mehr auf.
Dies gelingt durch eine Verödung, die auch als Ablation bezeichnet wird, bei der die Muskelfaser, die das Hintertürchen darstellt mittels eines Hochfrequenzstrom-Katheter behandelt wird. Der eindringende Strom erzeugt etwa 50-60° Wärme im Gewebe, was zum Absterben der Zellen führt. Da totes Gewebe (Narbe) keinen elektrischen Strom leitet, ist damit der Durchlass zwischen Vorhof und Kammer geschlossen. Die als WPW-Syndrom bezeichnete Rhythmusstörung sollte somit definitiv kuriert sein und bedarf keiner Nachbehandlung.
Um die Stelle des Hintertürchens zu finden ist es erforderlich mit Kathetern die Herzinnenwand abzutasten und die elektrischen Signale zu registrieren. Dort wo das entsprechende Signal der Kammer am frühesten in den Vorhof eindringt, ist das „Hintertürchen zu lokalisieren. Dies ist in etwa mit dem Spiel Topfschlagen zu vergleichen. Mit einer zunehmenden Ahnung nähert man sich, bis man schließlich den „Hot Spot“ ausmacht und die zusätzliche Durchlassstelle mit Hilfe eines unterstützenden kardialen 3D-Navigationssystems sichtbar wird.
Beim an sich Gesunden ist ein Herzrasen nicht gefährlich, jedoch löst es regelhaft Angstzustände aus, die bis in die Depression münden können und damit wesentlich auf den Lebensverlauf Einfluss nehmen können.
Besonders eindrücklich schildert dies, die Geschichte einer Patientin, die im Alter von weit über 80 Jahren mit Herzrasen elektrophysiologisch untersucht wurde. Es wurde eine ähnliche Herzrhythmusstörung mit wenig Aufwand effektiv behandelt. Nachdem sie nahezu 50 Jahre unter täglichen „Herzattacken“ gelitten hatte, war dies nun plötzlich alles beendet. Mit Tränen in den Augen sagte sie etwas in sich gekehrt „Wie wäre mein Leben wohl verlaufen, hätte man dies schon früher getan!?“
Herzrasen wurde häufig lediglich als vegetative Störung aufgefasst
Das Problem des Herzrasens wurde und wird vielfach als vegetative Störung verstanden, die durch eine gesunde psychische Grundeinstellung in den Griff zu bekommen ist. Richtig ist zwar, dass Rhythmusstörungen häufiger unter Anspannung auftreten, jedoch ist die Voraussetzung für das grundsätzliche Auftreten einer Rhythmusstörung immer eine Störung in der Reizleitung des Herzens, wovon die meisten sehr gut behandelbar sind.
Im Wesentlichen wird schon heute und perspektivisch noch zunehmend aufgrund der weiter zunehmenden Überalterung der Gesellschaft in elektrophysiologischen Laboren das Vorhofflimmern behandelt. Etwa ein bis zwei Prozent der westlichen Bevölkerung sind von dieser Rhythmusstörung betroffen. Von den über 80 jährigen sind gar 15 % betroffen.
Anfänglich kommt es meist nur zu kurzen Episoden von Vorhofflimmern, die im Verlauf der Zeit immer chronifizieren und damit einen dauerhaft arrhythmischen und meist auch zu schnellen Herzschlag zur Folge haben.
Beim Vorhofflimmern erreichen bis zu 500 elektrische Impulse pro Minute die Vorhöfe, kein Muskel kann derart hochfrequente Impulse in eine Effektive Kontraktion umsetzen. Dies wird schnell klar, versucht man seinen Handmuskel derart oft zu kontrahieren. Es kommt lediglich zu einer flimmernden Bewegung, die der Erkrankung ihren Namen gibt. Die eigentliche Pumpleistung des Vorhofs bleibt aus, so dass die Gesamtleistung des Herzens um bis zu 20 % reduziert sein kann, was sich häufig bereits bei leichter Belastung durch Luftnot und Leistungsknick bemerkbar macht.
Seitdem man verstanden hat, woher die Fehlimpulse kommen, kann man das Vorhofflimmern sehr erfolgreich behandeln. Solange man ausschließlich auf eine medikamentöse Therapie angewiesen war, konnte lediglich eine Reduktion der Vorhofflimmerepisoden erzielt werden. In der nachfolgend Darstellung, lässt sich das Verfahren der speziell zur Behandlung des Vorhofflimmern eingesetzten Ablationsverfahren erklären.
Die hier gezeigte 3D-Rekonstruktion des linken Vorhofs erfolgt mittels eines elektromagnetischen Mappingverfahren, welches angelehnt an eine Navigationstechnik aus der Flugwaffentechnologie entwickelt wurde.
In der Darstellung werden über die anatomische Struktur hinaus auch die elektrischen Leitungseigenschaften codiert. Die zwei schlauchartigen Strukturen, die nach links und rechts abgehen sind die Lungenvenen. Sie bestehen aus elektrisch nicht leitendem Bindegewebe. Da Bindegewebe keine elektrische Leitfähigkeit besitzt, sind sie rot und grün eingefärbt, was einer elektrischen Spannung von unter einem Millivolt entspricht. Die Muskulatur des Vorhofs selbst ist magentafarben und zeigt damit gute elektrische Leitungseigenschaften an.
Es sind die Mündungsstellen der Lungengefäße, in denen das Vorhofflimmern entsteht. Man sieht, dass elektrisch leitfähiges Gewebe in diesen Eingangsbereich hineinzieht. Am Übergang von elektrisch nicht leitendem Lungenvenengewebe und Vorhofmuskulatur entstehen die Fehlimpulse. Es ist grob gesagt eine Transitzone, in der elektrische Impulse z. T. wieder zurück und im Kreis geleitet werden und zu dem Chaos führt, was sich schließlich als Vohofflimmern manifestiert.
Um zu verhindern, dass Impulse in diese Unruhezone geraten, wird der Eingangsbereich der jeweils linken und rechten Lungenvenen vom Rest des Vorhofs elektrisch isoliert. Auch hier setzt man das Verfahren der Ablation ein, nur ist es jetzt nicht nur eine punktuelle Stromabgabe, sondern es muss eine kontinuierliche Linie im Sinne einer Lungenenvenen- oder Pulmonalvenenisolation angelegt werden (hier durch die rot gepunktete Linie markiert). Wird dies technisch nicht perfekt in dem etwa 4-5 cm durchmessenden linken Vorhof durchgeführt, entstehen Lücken, die den gleichen Effekt haben, wie bei einem lückenhaften Tiergatter. Ist die Linie jedoch perfekt, stellt sie eine elektrische Grenzlinie dar, die für jeden elektrischen Impuls unüberwindlich ist. Die Durchführung dieses Eingriffs ist deutlich anspruchsvoller, als die zuvor beschriebenen punktuelle Ablation und erfordert viel Erfahrung, weshalb sie nur in mit großer Expertise durchgeführt werden sollte.
Im nachfolgenden Bild zeigen sich die beiden Lungenvenenareale nach der Ablation. Gut zu erkennen ist, dass in der gesamten Lungenvene keine relevante elektrische Spannung mehr abgleitet werden kann (rot-grün-Codierung), womit die Pulmonalvenenisolation elektrisch darstellbar gemacht werden konnte.
Das Vorhofflimmern selbst ist für den Patienten nur insofern gefährlich, weil sich im nicht mehr regelrecht kontraktilen Vorhof potenziell Gerinnsel bilden, die als Schlaganfall das Hirn erreichen können, weshalb die meisten Patienten einer „Blutverdünnung“ bedürfen.
Im eigentlichen Sinne gefährlich ist jedoch auch diese Rhythmusstörung nicht, da aber bei dauerhaft zu raschem Herzschlag und fehlender Vorhofkontraktion eine Herzschwäche entstehen kann und Vernarbungsprozesse der Vorhofmuskulatur progredient sind, sollte bereits im Frühstadium von Vorhofflimmern interveniert werden, denn auch, wenn durch Medikamente der unrhythmische Herzschlag der Herzkammer entschleunigt werden kann, tragen dauerhaft 500 Impulse pro Minute zur Degeneration der Vorhöfe bei. Ist der normale Rhythmus des Herzens wieder hergestellt, stellt manch ein Patient fest, dass ein Problem gelöst wurde, dessen Bedeutung erst nach seiner Beseitigung offenbar wurde, was häufig praktisch bedeutet, das Müdigkeit und Leistungsschwäche, die meist dem natürlichen Alterungsprozess zugeschrieben werden merklich rückläufig sind.
Die Herzelektronik wird heutzutage auf dem Niveau unseres digitalen Zeitalters verstanden und kann mit regelmäßigem Update bis ins hohe Alter in guter Funktion erhalten werden. Voraussetzung ist jedoch Fehlermeldungen zu registrieren und durch Experten beseitigen zu lassen!
Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern profitieren von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie. Das hat die Studie EAST – AFNET 4 herausgefunden. Eine frühe rhythmuserhaltende Therapie mit Antiarrhythmika und/oder Katheterablation reduzierte im Vergleich zur üblichen Behandlung kardiovaskuläre Todesfälle, Schlaganfälle und durch Verschlechterung einer Herzinsuffizienz oder akutes Koronarsyndrom bedingte Krankenhausaufenthalte. Die Studie wurde 08/20 beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellt.
EAST – AFNET 4 ist eine europaweite klinische Studie, die vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) in Kooperation mit der Europäischen Rhythmologen-Vereinigung (EHRA) durchgeführt wurde. EAST steht für Early treatment of Atrial fibrillation for Stroke prevention, auf Deutsch: frühe Behandlung von Vorhofflimmern zur Verhinderung von Schlaganfällen.
Therapie. Das hat die Studie EAST – AFNET 4 herausgefunden. Eine frühe rhythmuserhaltende Therapie mit Antiarrhythmika und/oder Katheterablation reduzierte im Vergleich zur üblichen Behandlung kardiovaskuläre Todesfälle, Schlaganfälle und durch Verschlechterung einer Herzinsuffizienz oder akutes Koronarsyndrom bedingte Krankenhausaufenthalte. Die Studie wurde 08/20 beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellt.
EAST – AFNET 4 ist eine europaweite klinische Studie, die vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) in Kooperation mit der Europäischen Rhythmologen-Vereinigung (EHRA) durchgeführt wurde. EAST steht für Early treatment of Atrial fibrillation for Stroke prevention, auf Deutsch: frühe Behandlung von Vorhofflimmern zur Verhinderung von Schlaganfällen.